About Acting Archives
Acting Archives ist ein kollaboratives Projekt, das das Institut für Raumexperimente, Berlin, gemeinsam mit der Alle School of Fine Arts and Design, Addis Abeba, realisiert hat. Es wurde ermöglicht und gefördert durch den Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes. Zwischen Herbst 2013 und Frühjahr 2015 entfaltete sich Acting Archives im Rahmen von Veranstaltungsreihen, die sowohl in Berlin als auch in Addis Abeba durchgeführt wurden. Diese Veranstaltungen wurden von dem Wunsch getragen herauszufinden, wie man von- und miteinander lernen kann. Sie nutzten das Experimentelle bewusst als Methode künstlerischer Forschung, durch die Wissen im Bereich Kunst und Bildung co-produziert wurde. Alle Vorlesungen und Gespräche, alle Experimente, Diskussionen und Ausstellungen, die im Rahmen von Acting Archives stattgefunden haben, sowie ausgewählte Transkriptionen und Publikationen von Projektteilnehmenden, wurden zu einer umfangreichen audiovisuellen Sammlung zusammengetragen, um eine längerfristige Nutzung und Zugang für einen weiteren Kreis Interessierter zu ermöglichen. Das audiovisuelle Archiv ist in Form eines Mediencontainers, versehen mit einer medientechnischen Grundausstattung, an der Alle School of Fine Art and Design installiert, um eine weiterführende Arbeit mit den bestehenden Materialen in Addis Abeba zu ermöglichen und darüber hinaus neue Inhalte zu generieren. Das Archiv dient demnach gleichermaßen als Vermittler von Inhalten sowie als Werkzeug für weitere Recherchen. Zugänglich ist es zum einen vor Ort an der Alle School of Fine Art and Design in Addis Abeba sowie als Online-Archiv-Format auf der Website des Instituts für Raumexperimente. Die Publikation „Acting Archives — eine Bedienungsanleitung“ erscheint in Englisch, Deutsch und Amharrisch und dient als Kurzführer durch das gesammelte Material.
Kunst ist Affekt ist ein Fakt
Aktive Großzügigkeit und Inklusion sind Ideale, die ich in der Kunst für unverzichtbar halte. Sie spielten eine zentrale Rolle für den Umgang miteinander am Institut für Raumexperimente an der Universität der Künste Berlin, dem von mir gegründeten experimentellen Ausbildungsmodell. Die Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Raumexperimente und der Alle School of Fine Arts and Design an der Addis Abeba University basierte ebenso auf diesen gemeinsamen Idealen. Ausklappen…
Aktive Großzügigkeit und Inklusion sind Ideale, die ich in der Kunst für unverzichtbar halte. Sie spielten eine zentrale Rolle für den Umgang miteinander am Institut für Raumexperimente an der Universität der Künste Berlin, dem von mir gegründeten experimentellen Ausbildungsmodell. Die Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Raumexperimente und der Alle School of Fine Arts and Design an der Addis Abeba University basierte ebenso auf diesen gemeinsamen Idealen. Ich möchte daran glauben, dass der Grund für eine solch inklusive Qualität in der Kunst darin zu finden ist, dass sie – auch wenn andere Ebenen der Realität häufig mit diesen Begriffen hadern – Vertrauen schafft und Differenzen zulässt, unterschiedliche Meinungen und Ausdrucksformen. Ein Vorschlag meinerseits: Noch vor dem Recht auf Selbstverwirklichung und vor dem Recht auf freie Rede besteht das fundamentale Recht des Menschen zu denken: das Recht auf Gedankenfreiheit. Kunst erwächst aus diesem Reich der Gedanken; Kunst lebt in der Freiheit des Denkens.
Der Philosoph Edouard Glissant schreibt in seinen Poetics of Relation: „Der Vorgang des Denkens führt normalerweise dazu, sich in einen dimensionslosen Raum zurückzuziehen, in dem die Idee des reinen Gedankens besteht. In der Realität verbreitet sich das Denken aber räumlich in die Welt hinein. Es beeinflusst die Vorstellungskraft der Menschen und ihre verschiedenen Poetiken, die es dann verwandelt. Dies bedeutet, dass hierin die Risiken des Denkens realisiert werden.“ Kunstschaffen und kreative Arbeit vereinen Denken und Machen miteinander. Beides riskiert die Realisierung des Denkens im Moment seiner Entstehung. Eine Skulptur zu formen, in Zeitlupe zu gehen, Bewegungen zu choreographieren oder ein Gebäude zu entwerfen, ist nichts anderes als Realität zu formen. Es bedeutet: Ideen und Werten nach und nach einen Körper zu verleihen und ihnen Raum zu geben. Wird einem Gedanken einmal eine Form verliehen, ist er real.
Das Potenzial eines Kunstwerkes liegt nicht nur im Objekt oder im Konzept. Es ist auch in der Art und Weise des Zusammenspiels von Objekt, Mensch und der Welt zu verorten. Eine grundlegende Fähigkeit, die es zu entwickeln gilt, liegt darin, die Beziehung zwischen Idee und Handlung, materiellen Dingen und Welt zu verstehen. Das trifft für künstlerische Bildung genauso zu wie für das Leben im Allgemeinen. Demzufolge sehe ich die Kunst als einen Ort, der eine wichtige Grenze markiert: Ein Museum zu besuchen, eine Ausstellung zu besichtigen, eine künstlerische Publikation aufzuschlagen bedeutet, einen Raum zwischen Gedanken und Sprache, zwischen Denken und Machen zu betreten. Die Kunst ist eine Schwelle, die den Raum zwischen der Freiheit des Denkens und der Freiheit, sich selbst auszudrücken, eröffnet und verbindet. In den Bereich der Kunst einzutreten bedeutet, sich mit der Welt zu verbinden und ihr näher zu kommen.
Dieser Zwischenraum hängt davon ab, wie der einzelne ihn wahrnimmt und sich auf ihn bezieht. In der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk können die einzelnen Betrachter ihre Erfahrung des Sehens teilen und gleichzeitig verschiedener Meinung sein. Sie sehen unterschiedliche Aspekte, erleben die Begegnung auf andere Weise. Sie erfahren die unumgängliche Differenz, die ihren nicht übereinstimmenden Visionen zugrunde liegt. Gleichzeitig öffnet sich ein Raum, der die Anerkennung einer gemeinsamen geteilten Perspektive ermöglicht. In ihr ist Nichtübereinstimmung keine konflikthafte Begegnung, sondern markiert eine relationale Begegnung. Diese Erfahrung kann die Art und Weise wie wir Wissen definieren verändern: statt eine Idee zu erfassen oder ein Wissensgebiet zu erobern, geht vielmehr darum, der Welt der Ideen mit Offenheit und Großzügigkeit zu begegnen. Glissant (ebd.) nennt diese mögliche Praktik des Verstehens donner-avec. Abgeleitet vom französischen donner (geben) lässt sich dieses Kompositum übersetzen als „großzügig nach etwas Ausschau halten“ und ist im Sinne einer großzügigen Wahrnehmung zu verstehen.
Kunst kann mit dem zugrunde liegenden Prinzip der Differenz umgehen. Denn sie gibt nach und lässt mehr als eine Perspektive zu. Kunst bietet Orte der Verbundenheit, an denen viele Geschichten und Ziele genauso wie unterschiedliche Arten der Wahrnehmung und des Seins koexistieren. Dies spiegelt sich in der Lyrik-Affinität unseres Programms wieder, wo sogar die Betonung eines Wortes Teil des poetischen Momentes wird. Es ist Luft, die im Moment des Aussprechens auf dich zuströmt, und die in dem Moment Bedeutung gewinnt, in dem sie beim Gegenüber angelangt. Bedeutung entfaltet sich im Zuhören. Sie ist nicht dogmatisch. Und es kann mehr übermittelt werden, als wir zu sagen beabsichtigen: Wenn ich „heart“ (Herz) sage, in der Absicht dich zu erreichen und zu berühren, kann es sein, dass du „art“ (Kunst) verstehst. Dies ist die Welle, die ich in Bewegung gesetzt habe, um dich zu erreichen.
Die Zusammenarbeit mit der Alle School of Fine Art and Design vertraute auf das Potenzial, gemeinsam nach etwas Ausschau zu halten. Wir vertrauten auf die Qualität, die entsteht, wenn man geplante wie ungeplante Begegnungen akzeptiert und gleichzeitig offen bleibt für die vielseitigen Manifestationen künstlerischen Schaffens. So wurden Bildung und Kunst fortwährend produziert, nicht konsumiert. Nach Glissant (ebd.) ist „(…) Wissen im Werden begriffen. Man kann es nicht anhalten um es zu bewerten, noch es isolieren, um es zu übermitteln. Im Akt des Teilens kann man es niemals nicht behalten oder aber niemals, indem man stillsteht, sich dessen rühmen.“ Indem wir die Sammlung von archivierten Begegnungen teilen, ist der Mediencontainer nur eine weitere Inspirationsquelle für im Werden begriffenes Wissen – was gleichbedeutend ist mit Lernen. Dieses Prinzip des Lernens ermutigte und ermutigt auch im Weiteren zu unvorhersehbaren Begegnungen, indem wir auf das Potenzial vertrauen – from here to hear, von hier nach dort, von Addis Abeba nach Berlin und immer wieder von vorn.
Begrüßung
Die Alle School of Fine Arts and Design ist seit fast sechs Jahrzehnten die führende Institution universitärer Ausbildung in den bildenden Künsten in Äthiopien. In den letzten fünf Jahren hat sich die Hochschule darüber hinaus stark dafür eingesetzt, neue produktive Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit verschiedenen lokalen und internationalen Akteuren zu generieren. Ausklappen…
Die Alle School of Fine Arts and Design ist seit fast sechs Jahrzehnten die führende Institution universitärer Ausbildung in den bildenden Künsten in Äthiopien. In den letzten fünf Jahren hat sich die Hochschule darüber hinaus stark dafür eingesetzt, neue produktive Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit verschiedenen lokalen und internationalen Akteuren zu generieren. Durch das Engagement auf unterschiedlichen institutionellen Ebenen gelang es der Alle School, nicht nur ihre Rolle als Ausbildungsinstitution zu stärken, sondern sich auch als alternative, partizipative und attraktive Plattform für vielfältige kreative und professionelle Aktivitäten zu etablieren. Darüber hinaus konnte die Hochschule vor kurzem zwei Postgraduierten-Programme begründen, die fachübergreifend künstlerische Themen auf gehobenem akademischem Ausbildungsniveau anbieten. Gleichzeitig ist der Mangel an verfügbaren Ressourcen und an Fachliteratur im Bereich der zeitgenössischen Kunst eine offensichtliche Tatsache, die seit jeher die pädagogischen und professionellen Aktivitäten einschränkt. Dies stellt eine der zentralen Herausforderungen für die Hochschule dar. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit am Acting Archives Projekt und die Kooperation mit dem Institut für Raumexperimente eine große Chance für die Alle School of Fine Arts and Design. Basierend auf gegenseitigem Interesse und wechselseitiger Teilnahme entstand eine Serie gemeinsamer, vielschichtiger und fachspezifischer Aktivitäten, die sowohl auf lokalen als auch internationalen Plattformen stattfanden. Im Verlauf des Projekts wurde umfangreiches audiovisuelles Material generiert und ein Mediencontainer erstellt mit einer großen Sammlung von Fotografien, Videos, Tonaufnahmen, verschiedenen Archiv-Praktiken sowie mit kritischen Texten und Publikationen mit den Schwerpunkten Zeitgenössische Kunst und Kunsterziehung. Dieser Mediencontainer ist benutzerfreundlich und in leicht zugänglichem Format organisiert. Er wird als Ressource und Referenzmaterial im Rahmen unserer Bildungsaktivitäten, vor allem im Rahmen unserer neuen Postgraduierten-Programme aktiv genutzt werden. Das Archiv wird darüber hinaus auch interessierten lokalen Künstlern und Schriftstellern, Lehrenden und Forschenden sowie internationalen Gaststudierenden und Gastdozenten zur Verfügung stehen. Wir freuen uns sehr, den Mediencontainer an der Alle School of Fine Arts and Design einzuweihen und zu aktivieren, um ihn in den Dienst unseres zukünftigen pädagogischen und professionellen Engagements zu stellen.
Abschließend möchte ich meinen Dank an Olafur Eliasson, Christina Werner und Eric Ellingsen zum Ausdruck bringen. Sie haben diese Möglichkeit geschaffen und kontinuierlich dafür gearbeitet, dass Acting Archives ein sinnstiftendes und nachhaltiges Projekt wird. Ich danke dem Institut für Raumexperimente und dem Studio Olafur Eliasson für die Unterstützung bei allen notwendigen Schritten der Projektrealisierung, dem Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes für die Projektförderung und allen beteiligten lokalen und internationalen Teilnehmenden für ihre wertvollen Beiträge.
Kreuzungen, Wegweiser, Perspektiven — eine Einführung
Das Projekt Acting Archives – Media Lab für künstlerische Forschung und Bildung bietet eine interaktive edukative Modellplattform für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen äthiopischen, deutschen und internationalen Künstlern, Lehrenden, Kulturschaffenden, Denkern und Theoretikern. Es beschäftigt sich mit Fragen zu Kunst und Bildung und setzt sich mit Archivierungspraktiken und pädagogischen Methoden auseinander. Ausklappen…
Das Projekt Acting Archives – Media Lab für künstlerische Forschung und Bildung bietet eine interaktive edukative Modellplattform für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen äthiopischen, deutschen und internationalen Künstlern, Lehrenden, Kulturschaffenden, Denkern und Theoretikern. Es beschäftigt sich mit Fragen zu Kunst und Bildung und setzt sich mit Archivierungspraktiken und pädagogischen Methoden auseinander. Acting Archives entstand über einen Zeitraum von fast drei Jahren. Es führt die Projektinhalte in einem Mediencontainer zusammen, der Dokumentationsmaterial, Fallstudien und Werkzeuge enthält. Diese Sammlung soll auch dazu dienen, die Gestaltung weiter wachsender und neuer Strukturen künstlerischer Forschung und Bildung zu unterstützen. Das Medienarchiv wird durch Acting Archives – Eine Bedienungsanleitung ergänzt, die Sie hier in Händen halten. Die Publikation dient als praktische Anleitung, um durch das audiovisuelle Archiv des Projektes zu navigieren. Der Mediencontainer entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Raumexperimente der Universität der Künste Berlin und der Alle School of Fine Arts and Design der Addis Ababa University. Er ist sowohl lokal in Addis Abeba als auch online zugänglich. Hier wie dort bildet er einen Kristallisationspunkt, von dem aus Energien, Vorstellungen und Bedürfnisse von Künstlern und Institutionen in Äthiopien, Deutschland und anderswo wachsen und weiter gefördert werden.
Von 2009 bis 2014 stellte das Institut für Raumexperimente ein international anerkanntes Modellprojekt der künstlerischen Lehre und Forschung unter der Leitung von Olafur Eliasson und den Co-Direktoren Christina Werner und Eric Ellingsen dar. Dokumentation war von Beginn an ein integraler Bestandteil der alltäglichen Abläufe am Institut. So entstand in den zehn Semestern eine umfangreiche Sammlung von Fotografien, Videos und Tonaufnahmen, von begleitenden Texten und Publikationen. Diese Materialsammlung zollt den zahlreichen experimentellen Lehr- und Lernformaten Rechnung. Sie ist eine Ressource von und für geteiltes Wissen und geteilte Erfahrungen. Mit dem Ende der fünfjährigen Projektlaufzeit wurden die Fragen nach Aufarbeitung, Organisation und vor allem nach Zugang zu diesen gesammelten Materialien immer drängender und ein zentrales Anliegen des Instituts: Wie unterhält man ein Archiv? Wie kann es funktional sein? Wie kann mit ihm konkret gearbeitet werden? Auf welche Weise kann es eine künstlerische Arbeit darstellen? Wie kann es als Werkzeug für zukünftige künstlerische Produktion dienen oder eine Inspirationsquelle für andere Bildungsmodelle werden?
Die Alle School of Fine Arts and Design steht unter der Leitung von Berhanu Ashagrie Deribew und ist angegliedert an das Skundern Boghossian College of Performing and Visual Arts an der Addis Ababa University. Die Alle School setzte sich aus anderer Perspektive mit ähnlichen Fragen auseinander wie das Institut für Raumexperimente, zum Beispiel: Wie kann es gelingen, unter aktuellen Gegebenheiten netzbasierte Informationen produktiv in die Lehre einzubeziehen? Auch im Hinblick auf das sich aktuell in Gründung befindliche neue Film- und Medieninstitut sowie auf einen neu eingerichteten kuratorischen Masterstudiengang beschäftigt sich die Alle School of Fine Arts and Design mit ähnlichen Fragen. Dabei spielt gerade die zunehmende Bedeutung von visueller Informationskultur und von neuen Medien als kritischen Werkzeugen eine wichtige Rolle in der sich rapide verändernden soziopolitischen Landschaft Addis Abebas.
Im Herbst 2012 nahm die Alle School of Fine Arts and Design das Institut für Raumexperimente und seine Teilnehmenden für zehn Wochen auf im Rahmen eines kollaborativen Lehr- und Lernexperimentes. Das Semester umfasste eine Vielzahl lokaler Kooperationsprojekte, experimentelle Lernformate, überraschende künstlerische Initiativen und gemeinsame Unternehmungen. Diese brachten die Studierenden, Lehrenden und Künstler beider Schulen mit geladenen Gästen, lokalen und internationalen Gastdozenten zusammen. Um diese Beziehungen und Initiativen weiter vertiefen zu können, initiierte das Institut für Raumexperimente das Projekt Acting Archives. Es wurde gemeinsam mit der Alle School of Fine Arts and Design realisiert sowie ermöglicht und gefördert durch den Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes. Die Ausrichtung des Projektes erlaubte es beiden Institutionen, bezüglich der oben genannten Fragen im Dialog zu denken und zu agieren, einen Diskurs zu entwickeln, vielseitige Perspektiven anzubieten und besagte Fragestellungen vor unterschiedlichen Hintergründen zu betrachten. Zwischen Herbst 2013 und Frühjahr 2015 entfaltete sich Acting Archives im Rahmen von Veranstaltungsreihen, die sowohl in Berlin als auch in Addis Abeba durchgeführt wurden. Symposien, Workshops, pädagogische und künstlerische Experimente, Ausstellungen sowie ein Kunstfestival waren Teil des Programms. Diese Veranstaltungen wurden von dem Wunsch getragen herauszufinden, wie man von- und miteinander lernen kann. Sie nutzten das Experimentelle bewusst als Methode künstlerischer Forschung, durch die Wissen im Bereich Kunst und Bildung co-produziert wurde.
Acting Archives setzt sich zum Ziel, die gemeinsame Initiative und das angesammelte Wissen für eine längerfristige Nutzung aufzuarbeiten und es einem weiteren Kreis Interessierter zugänglich zu machen. Alle gemeinsamen Veranstaltungen wurden dokumentiert und zu einer umfangreichen audiovisuellen Sammlung zusammengetragen. Dies beinhaltet digitales Dokumentationsmaterial aller Vorlesungen und Talks, aller Experimente und Diskussionen sowie ausgewählte Transkriptionen und Publikationen von Projektteilnehmenden. Das audiovisuelle Archiv ist in Form eines Mediencontainers, versehen mit einer medientechnischen Grundausstattung, an der Alle School of Fine Art and Design installiert, um eine weiterführende Arbeit mit dem bestehenden Archiv in Addis Abeba zu ermöglichen und darüber hinaus neue Inhalte zu generieren. Das Archiv dient demnach gleichermaßen als Vermittler von Inhalten sowie als Werkzeug für weitere Recherchen. Zugänglich ist es zum einen vor Ort an der Alle School of Fine Art and Design in Addis Abeba sowie als Online-Archiv-Format auf der Website des Instituts für Raumexperimente (www.raumexperimente.net).
Die dokumentierten Veranstaltungen erstrecken sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Sie reichen von einer Auswahl an Künstlergesprächen und Kurzpräsentationen im Marathonformat sowie Vorlesungen bis hin zu Ausstellungen, Poetry-Veranstaltungen und Übersetzungsübungen. Das Archiv – sowohl digital als auch im vorliegenden Kurzführer – ist chronologisch angeordnet. Es beginnt mit einer Reihe von Künstlergesprächen mit Berhanu Ashagrie Deribew, Konjit Seyoum, Helen Zeru und Tamrat Gezahegne, die von Mai bis Juli 2012 in Berlin stattfand. Die Gespräche dienten als Auftakt und Einführung für den Austausch zwischen Addis Abeba und Berlin und stellen verschiedene künstlerische Praktiken in diesem Zusammenhang vor. Wenige Monate später organisierte das Institut während des Aufenthaltes in Addis Abeba eine Veranstaltungsreihe mit regionalen und internationalen Gästen. Teil dieser Reihe waren Vorträge des Architekten und Professors Brook Teklehaimanot, der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe, des Kunsthistorikers Abebaw Ayalew, der Kuratorin Elvira Dyangani Ose, der Kunsthistorikerin Molly Nesbit sowie eine vierteilige Vorlesungsreihe von Olafur Eliasson. Kürzere Präsentations- und Gesprächsformate wurden ebenfalls in dieser Zeit veranstaltet, so beispielsweise beim Addis Art Practice Marathon. Das Archiv enthält auch die Beiträge des Institutes, die für das Addis Foto Fest im Dezember 2012 entwickelt wurden, sowie die Dokumentation des Kunstfestivals Jan Meda – Großes Feld. Letzteres bildete den Abschluss des Gastaufenthaltes und sprach eine breite Öffentlichkeit in Addis Abeba an. Doreen Massey und Molly Nesbit hielten ihre Vorträge nach der Rückkehr des Instituts nach Berlin im Frühjahr und Sommer 2012. Sie widmen sich den Themenbereichen Zeit und Raum, dem Reisen sowie verschiedenen Übersetzungs- und Erzähltechniken. Diese Themenbereiche waren rückblickend prägend für die gemeinsamen Erfahrungen in Äthiopien und spielten im weiteren Prozess der Auseinandersetzung eine wichtige Rolle. Die Beiträge des Archives Works Marathon, den das Institut für Raumexperimente im November 2013 ausrichtete, bilden einen zentralen Teil des gegenwärtigen Archivs. Teilnehmende Gäste waren unter anderem Berhanu Ashagrie Deribew, Jochen Becker, Beatrice von Bismarck, AA Bronson, Fasil Giorghis, Elizabeth Giorgis, Tue Greenfort, Mihret Kebede, Koyo Kouoh, Cynthia Kros, Jonathan Ledgard, Armin Linke, Salem Mekuria, Felix Melia, Doreen Mende, Natasha Mendonca, Emeka Ogboh, Georges Pfruender, Bernd Scherer, Stefanie Schulte Strathaus, Nicola Setari, Ai Weiwei, und Louwrien Wijers. Die Ausstellung Archives Acting wurde anlässlich des Marathons kuratiert und beinhaltet Arbeiten von 24 Künstlern. Die letzte Veranstaltungsserie im Rahmen von Acting Archives besteht aus verschiedenen Poetry-Events: dem Konzertabend Ishe get ‘um, OK Poetry im Dezember 2012 in Addis Abeba sowie aus dem Workshop und der Performance-Reihe A-B-A-B-A: from hear to here. Letztere wurde im Juli 2014 in Zusammenarbeit mit dem Palais Wittgenstein im Roten Salon der Volksbühne Berlin durchgeführt. Die Serie wird ergänzt durch ein CD-Album und einen Dokumentationsfilm. Ein Echo fand die zwischen Addis Abeba und Berlin alternierende Serie mit einer letzten Veranstaltung im Februar 2015 an der Alliance Ethio-Française d’Addis-Abeba.
Das Ende der Publikation markieren zwei wiederveröffentlichte Essays von Chantal Mouffe und Doreen Massey. Darin führen sie Themen ihrer Vorträge, die sie im Rahmen des Projektes hielten, weiter aus. Diese Texte bergen ein Vokabular für Gedanken und Inspirationen, die viele Prozesse innerhalb des Projektes begleiteten und motivierten.
Acting Archives — Eine Bedienungsanleitung versteht sich als Kurzführer durch das gesammelte Material der Kooperation zwischen dem Institut für Raumexperimente und der Alle School of Fine Arts and Design. Als erweitertes Inhaltsverzeichnis eröffnet diese Publikation verschiedene Wege, Verbindungslinien, Umleitungen und Abkürzungen durch die Vielzahl an Beiträgen. Übersetzt ins Englische, Amharische und Deutsche ermutigen die Inhalte dazu, sich verschiedene Verbindungen zu erschließen sowie Impulsen und beeinflussenden Lesarten innerhalb und außerhalb des Archivs zu folgen. Acting Archives ist als ein Experiment für künstlerische Forschung und Bildung angelegt. Es regt zu einer anderen Art der Auseinandersetzung mit Archiven an, setzt diesbezüglich neue Impulse und liefert konkrete Vorschläge. Wir hoffen außerdem, dass es ein erster Schritt für weitere Experimente darstellt, die sich mit dem gesammelten Material beschäftigen und die Archiveinträge mit gegenwärtigen Fragenstellungen und Interessenslagen verbinden, um zukünftige Wege zu beschreiten.
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Acting Archives ist ein Projekt des Instituts für Raumexperimente der Universität der Künste Berlin und der Alle School of Fine Arts and Design, Addis Ababa University, unterstützt durch Studio Olafur Eliasson, gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes.