NOWs: Welcome to the Jungle

03. März - 21. Mai 2018 / Nows

Alvaro Urbano: Office (detail), 2017-18

Welcome to the Jungle

Kunsthalle Düsseldorf

Eröffnung: 2 März 2018, 8 pm

Mit Arbeiten von Jonathas de Andrade, Kristina Buch, Oto Hudec, Laura Lima, Cinthia Marcelle, Mario Pfeifer, Liu Shiyuan, Kota Takeuchi, Alvaro Urbano

Un­ter dem Ti­tel „Wel­co­me to the Jung­le“ ver­sam­melt die Kunst­hal­le Düs­sel­dorf ei­ne Aus­wahl in­ter­na­tio­na­ler Wer­ke, die kri­tisch, re­flek­tiert und oft mit Hu­mor, aber oh­ne mo­ra­li­schen Fin­ger­zeig auf je­ne Zu­stän­de und Pa­ra­do­xi­en ver­wei­sen, in die wir uns ver­stri­cken, wäh­rend wir ver­su­chen, das Rich­ti­ge zu tun. Im Zeit­geist liegt zum Bei­spiel das Auf­be­geh­ren ge­gen Ver­hält­nis­se, in de­nen wir durch un­se­re Ent­schei­dun­gen im­pli­zit auch sol­che un­ter­neh­me­ri­schen, so­zia­len und res­sour­cen­be­zo­ge­nen Prak­ti­ken ge­wäh­ren las­sen, die wir im kon­kre­ten Fall ab­leh­nen wür­den, wenn z.B. Mensch und Na­tur dar­un­ter lei­den. Greif­bar wird dies durch be­wuss­te­re Kon­sum­entschei­dun­gen bei Er­näh­rung, Klei­dung und Rei­sen oder bei der ein­fa­chen Fra­ge, wel­chen The­men und Stim­men wir un­se­re Zeit und Auf­merk­sam­keit schen­ken. Vom Car­bon Foot­print bis zur nach­hal­ti­gen Fi­nanz­an­la­ge, von Cor­po­ra­te So­ci­al Re­s­pon­si­bi­li­ty bis zur Öko­bi­lanz der Ver­ar­bei­tungs­ket­te – in der Pra­xis nimmt die In­for­ma­ti­ons­dich­te dschun­gel­ar­ti­ge Aus­ma­ße an, wo­bei oft nicht klar ist, wel­che Aus­rich­tung den ei­ge­nen Über­zeu­gun­gen am ehes­ten ent­spricht oder wel­cher Weg rein theo­re­tisch der rich­ti­ge wä­re. Es ist der Ver­such im Lärm und Di­ckicht des Dschun­gels Ori­en­tie­rung zu ge­win­nen und aus der lo­ka­len Per­spek­ti­ve das Gro­ße-Gan­ze zu er­ken­nen. Kol­lek­ti­ve Be­we­gun­gen ent­ste­hen und ver­dich­ten sich. In­ves­ti­ga­ti­ver Jour­na­lis­mus und vi­ra­le Er­zäh­lun­gen tei­len sich die Band­brei­te mit pro­fes­sio­nel­len Ima­ge­kam­pa­gnen und di­gi­ta­len Ne­bel­ker­zen.

Gü­te­sie­gel für Fair Tra­de oder öko­lo­gi­sche Her­stel­lung funk­tio­nie­ren zu­neh­mend wie Brands, und der Nach­hal­tig­keit ver­schrie­be­ne Le­bens­ent­wür­fe kön­nen aus Ma­ga­zi­nen in der Bild­spra­che von Mo­de- und Li­fes­ty­le­indus­trie ent­lehnt wer­den. Der Dschun­gel ist so­mit auch Sinn­bild für Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und Über­for­de­rung, ein Ort, an dem kei­ne Rich­tung viel­ver­spre­chen­der aus­sieht als die An­de­re. Je­de neue Po­si­ti­on scheint ei­ne be­lie­bi­ge aus den be­reits ver­füg­ba­ren. Je­de neue Er­zäh­lung ist be­reits Teil ei­ner grö­ße­ren Er­zäh­lung, in der Fik­ti­on und Auf­klä­rung ver­schmel­zen. Ob in der Brei­te und auf ma­kro­öko­no­mi­scher Ebe­ne mit der in­di­vi­du­el­len Fra­ge „Wie will ich le­ben?“ ein kri­ti­sches Po­ten­ti­al ent­wi­ckelt und so auch Lö­sun­gen für die so­zia­len und öko­lo­gi­schen Pro­ble­me der All­ge­mein­heit ge­fun­den wer­den, ist mit Si­cher­heit ei­ne der span­nen­den Fra­gen. Für den Ein­zel­nen bleibt aber das Di­lem­ma: Mes­se ich mich an ei­nem hy­po­the­ti­schen Er­folg mei­ner Ent­schei­dun­gen und Er­geb­nis­se (und bin auf der per­ma­nen­ten Su­che nach neu­en Er­kennt­nis­sen, da die In­for­ma­tio­nen von Heu­te Mor­gen kei­ne Gül­tig­keit mehr ha­ben) oder kön­nen Hal­tung, In­ten­ti­on und In­te­gri­tät in­ner­halb mei­ner in­di­vi­du­el­len Le­bensum­stän­de wei­ter­hin gül­ti­ge Maß­stä­be sein?Auch in der bil­den­den Kunst wer­den Fra­ge­stel­lun­gen ver­han­delt, die sich ex­pli­zit mit die­sen The­men be­schäf­ti­gen. Im Fo­kus der Aus­stel­lung ste­hen je­ne künst­le­ri­schen Prak­ti­ken, die die äs­the­ti­sche Di­men­si­on der Kunst in den Vor­der­grund rü­cken um da­mit das Be­wusst­sein für je­ne Zu­stän­de und Pro­zes­se, Pa­ra­do­xi­en und Wi­der­sprü­che im all­täg­li­chen Dschun­gel von In­for­ma­tio­nen, Weis­hei­ten, Halb­wahr­hei­ten, Vor­ur­tei­len und Vor­schrif­ten zu schär­fen. Die aus­ge­wähl­ten Ar­bei­ten ge­ben we­ni­ger ei­nen kon­kre­ten Weg vor oder zeich­nen ein apo­ka­lyp­ti­sches Bild, als dass sie viel­mehr die Rea­li­tä­ten des Dschun­gels ernst­haft und mit Hin­ga­be er­kun­den und den Be­trach­ter letzt­lich in ei­ner er­mu­ti­gen­den und hu­mor­vol­len At­mo­sphä­re ani­mie­ren Fra­gen zu ver­tie­fen und neue Zu­gän­ge oder poe­ti­sche wie ab­sur­de We­ge zu er­pro­ben.

Die für die Aus­stel­lung ein­ge­la­de­nen Künst­ler*in­nen zeich­net aus, dass sie mit ei­nem je­weils spe­zi­fi­schen me­dia­len An­satz ein­neh­men­de Bil­der und Ge­schich­ten schaf­fen, die zum ei­nen durch die Wahl ih­rer The­men und zum an­de­ren durch ih­re Äs­the­tik über­zeu­gen. Vie­le der aus­ge­wähl­ten Ar­bei­ten be­schäf­ti­gen sich mit kon­kre­ten Si­tua­tio­nen und Ent­wick­lun­gen, die sie be­ob­ach­ten und in die sie (äs­the­tisch) ein­grei­fen. Jen­seits ei­nes rei­nen Do­ku­men­ta­ris­mus und Auf­klä­rungs­ha­bi­tus ver­han­deln die Ar­bei­ten Stra­te­gi­en des Do­ku­men­ta­ri­schen und letzt­lich auch die Un­er­reich­bar­keit der ei­nen Wahr­heit oder des rich­ti­gen Wegs. So ar­bei­ten ei­ni­ge der Künst­ler*in­nen mit do­ku­men­ta­ri­schen Prak­ti­ken, un­ter­lau­fen die­se aber im­mer wie­der, in­dem sie z.B. die Rol­le des Be­ob­ach­ters und des Be­ob­ach­te­ten um­keh­ren, die­se mit der Äs­the­tik von Mu­sik­vi­de­os durch­bre­chen oder mit der In­sze­nie­rung ei­nes do­ku­men­ta­ri­schen Set­tings die Sicht­bar­keit ei­nes Su­jets erst er­mög­li­chen. Auch je­ne künst­le­ri­schen Prak­ti­ken de­ren Zu­gang über spe­zi­fisch kul­tu­rel­le Su­jets er­folgt, schaf­fen letzt­lich durch ih­re Äs­the­tik ei­ne uni­ver­sel­le Gül­tig­keit. Ein wei­te­rer An­satz, der ein­zel­ne Po­si­ti­on ver­bin­det, ist der Rück­griff auf kör­per­lich-per­for­ma­ti­ve Ele­men­te, durch die abs­trak­te Pro­zes­se in be­son­de­rer Art sicht­bar und er­fahr­bar wer­den. Die Aus­stel­lung ver­sam­melt Vi­deo­in­stal­la­tio­nen, Per­for­man­ces, raum­grei­fen­de In­sze­nie­run­gen und orts­spe­zi­fi­sche Ar­bei­ten von in­ter­na­tio­na­len Künst­ler*in­nen.

Ku­ra­tiert von Jas­mi­na Merz und An­na Le­na Sei­ser