NOWs: Hybrid Modus at Skulptur Bredelar
Hybrid Modus zeigt, wie traditionelle Konzepte von Bildhauerei angefochten und bis aufs Äußerste gedehnt werden, wie Skulptur heute mit anderen Disziplinen und Fachbereichen verschmilzt. Neue zeitgenössische Definitionen werden befragt und erprobt.
Hybrid Modus ist eine Gruppenausstellung, die Künstler aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden vereint. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit dem Paradigmenwechsel, der auf ökologischer, gesellschaftlicher und technologischer Ebene stattfindet und zu einer ‚post-humanen‘ Umwelt führt.
Die Ausstellung behandelt den Themenkomplex einer künstlichen, hybriden Ökologie, in der Natur, Kultur, Kapital und das ständige Zirkulieren von Informationen nebeneinander bestehen und sich im Netz des (digitalen) Lebens überlagern. Dies betrifft unseren physischen Raum, natürliche oder urbane Umgebungen bis hin zu virtuellen Welten. Wie gehen wir mit diesen verschiedenen Realitäten um und wie leben wir in ihnen? Aus der Perspektive einer sich derartig im Fluss befindenden und in Veränderung begriffenen menschlichen Umwelt beleuchtet die Ausstellung die Bedeutung von Skulptur im Kontext der heutigen Netzgesellschaft. Wie reagiert dieses teils anachronistische, traditionelle künstlerische Medium auf die gegenwärtigen Entwicklungen?
Künstler: Lara Almarcegui, Isabelle Andriessen, Julian Charrière, Andreas Greiner, Spiros Hadjidjanos, Martijn Hendriks, Markus Hoffmann, Rachel de Joode, Sculptress Of Sound, Stian Korntved Ruud & AE, Philip Topolovac, Mirko Tschauner, Alvaro Urbano, Benjamin Verhoeven, Raul Walch, Dan Walwin.
Hybrid Modus ist die 2016 Edition von Skulptur Bredelar. Die Ausstellung wird von Bas Hendrikx und Ursula Ströbele kuratiert.
Markus Hoffmann: Als Hommage an den Reichtum und die Vielfalt natürlicher Muster und Systeme besteht Memory aus zwölf mit Glasplatten bedeckten Kästen, die Baumscheiben aus aller Welt enthalten. Bevor die Scheiben zum Zweck der Versteinerung in ihre Behälter gelegt wurden, setzte der Künstler diese Baumproben über einen längeren Zeitraum einem künstlichem Pilzbewuchs aus. Als ein fossiles Mosaik stellt Memory nun einen archivierten globalen Wald für zukünftige Generationen dar.
Julian Charrière: Future Fossil Spaces ist eine raumgreifende Skulptur aus Salzblöcken, komplementierenden Gipselementen und mit Lithiumsole gefüllten Emaillebecken, deren Material auf den Herkunftsort, das südamerikanische „Lithium-Dreieck“ (Argentinien, Bolivien, Chile) verweist. Das hunderte Millionen Jahre alte Salz wird dort abgebaut, um daraus Lithiumsole für die Akkubatterien unserer digitalisierten Welt zu gewinnen. Vergangenheit und Zukunft prallen in der geologischen Zeit und heutigen Nutzung aufeinander.
Andreas Greiner: Ein Pendel an einem Baldachinbett evoziert eine chaotische Bewegung und überträgt diese auf einen Erlenmeyerkolben mit biolumineszierenden Bakterien in Meerwasser, die darauf mit einem Leuchten reagieren. In der Natur kommen diese in den Leuchtorganen auf der Körperunterseite nachts jagender Tintenfische vor, die so getarnt von ihrer Beute als Teil des über ihnen strahlenden Sternenhimmels wahrgenommen werden.
Stian Korntved Ruud & AE: Ludological ist eine Apparatur, die visuell Bezug auf Infrastrukturdaten aus der Tiefsee nimmt und in der sich Algorithmen miteinander messen. Hyper-Optimierung und hoch entwickelte Effizienzprotokolle in der Industrie 4.0 haben zu einer Entkopplung der Ökologie von ihren Akteuren geführt. Ludological macht einen Baumstamm zum Gegenstand der Ergebnisse eines Spiels zwischen zwei Skripten, die mit jedem Gewinn oder Verlust ihres ‚Hosts‘ weiter verfälscht werden, was letztendlich und unausweichlich zu dessen Zerstörung führt.
Alvaro Urbano: Drehort des Kurzfilms ist der Garten der Villa Romana in Florenz. Die fiktive Geschichte entwickelt sich auf den Spuren der Vergangenheit dieses historischen Gartens, seines skulpturalen Dekors und seiner teils unscheinbaren Bewohner (Insekten, Fische, Katzen) die im geheimnisvollen Mondschein zum Leben erwachen. Sogar die Statuen bewegen sich geisterhaft durch die Nebelschwaden und erkunden den Ort. Ein animistischer Traum, Verweis auf den Posthumanismus oder der Blick in eine surrealistische Fantasiewelt?
Raul Walch: Fünf, sich vor dem ehemaligen Kloster im Wind bewegende Flaggen weisen abstrakte Farbmuster auf, die weder auf eine bestimmte Gruppierung oder Territorium verweisen, sondern einen Pinselduktus erkennen lassen: ein Hybrid von Malerei auf Leinwand oder Skulptur, ähnlich den von Man Ray in den 1920ern als Sculpture mouvante bezeichneten flatternden Wäschestücken? Der Witterung ausgesetzt, verändert sich die Oberfläche im Laufe der Ausstellung.
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Fotos: Sander van Wettum; Copyright und Courtesy: die Künstler und Skulptur Bredelar