NOWs: Jungle Memory by Andreas Greiner
Andreas Greiner: Jungle Memory
DITTRICH & SCHLECHTRIEM, Berlin
Zwischen Kunst und Wissenschaft gibt es im Schaffen von Andreas Greiner keinen Widerspruch. Seine multimediale und interdisziplinäre Praxis umfasst zeitbasierte lebende und digitale Skulpturen, Fotografien und Videos, die komplexe Themen anschaulich machen und ein Schlaglicht auf drängende Fragen der heutigen Gesellschaft und insbesondere Umweltprobleme und ökologische Herausforderungen werfen. In Jungle Memory schafft Greiner Natur nach, um seine Forschungen zu gefährdeten Wäldern in Deutschland und Polen darzustellen.
Greiner hinterfragt das Verhältnis zwischen Ökologie und Technologie. In einer Nachbildung eines Waldes und einem Lichtszenario, das den Hauptraum der Galerie verwandelt, zeigt Greiner eine großformatige Videoarbeit, für die künstliche Intelligenz zum Einsatz kam. Aus einem Datensatz von mehreren tausend Fotografien, die Greiner im uralten Hambacher Forst und im Białowieża-Urwald geschossen hat, wurde mittels digitaler Rechenverfahren die Idee eines Waldes abstrahiert. Aus dem Bildmaterial fabrizierte der Künstler so Erinnerungen an oder algorithmische Projektionen einer reichhaltigen, unbändigen Natur, deren romantische Aura unverkennbar ist. Durch Überlagerung und Verformung der Bilder entstand ein filmreifer Tanz der Bäume, eine leuchtende, aber auch befremdliche Illusion, die eine Ahnung einer Welt ohne Menschen vermittelt. Eine Klangkomposition untermalt die Installation.
Parallel zu den Abstraktionen auf dem vier Quadratmeter messenden LED-Bildschirm und der Soundarbeit zeigt Greiner im ersten Raum eine neue Videoarbeit. Am Anfang der Ausstellung wird auf (gebraucht gekauften) Bildschirmen, die mit einer zentralen Kontrolleinheit verbunden sind, ein in Zusammenarbeit mit Paul Rohlfs entstandenes Zweikanalvideo gezeigt. Außerdem werden Archivzitate aus Schriften zum wirtschaftlich orientierten oder auf Bewahrung zielenden Waldbau sowie ein Video eingeblendet, das den derzeitigen Prozess naturnah-dynamischer Aufforstung veranschaulicht. Das Video zeigt, wie das durch den Borkenkäfer verursachte Absterben alter Fichten eine Verjüngung des Waldes ermöglicht, aus der er seine Wandlungs- und Widerstandsfähigkeit zieht. […]
Die Ausstellung lässt sich als Collage von Gedanken und Gefühlen lesen, die anhand eines konkreten Beispiels aus der näheren Umgebung ein Schlaglicht auf die Verbindungen zwischen historischen Faktoren, wirtschaftlichen Entscheidungen und Klimawandel wirft. Ausgehend vom katastrophalen Zustand der Wälder im niedersächsischen Harz wenden die Arbeiten sich einer handgreiflichen Wirklichkeit zu, die das Ergebnis von Jahrhunderten der Forstbewirtschaftung ebenso wie heutiger globaler ökologischer Weichenstellungen ist.
In Jungle Memory geht Greiner der Frage nach, ob die Sprache der Kunst in unserer von Klimawandel und massenhaftem Artensterben geprägten Zeit überhaupt in der Lage ist, diese Themen angemessen zu artikulieren. Die zitierten Passagen stammen aus einem Essay von Bernard Vienat für den Katalog, der im September 2020 erscheinen und in der Galerie sowie über unseren Onlineshop zu beziehen sein wird.