NOWs: ONLY by Jonas Wendelin

15. Juni - 29. August 2020 / Nows

ONLY

Einzelausstellung von Jonas Wendelin

DITTRICH & SCHLECHTRIEM freuen sich, die erste Einzelausstellung von JONAS WENDELIN (geb. Düsseldorf, DE, 1985) in unserer Galerie zu präsentieren. Die Schau mit dem Titel ONLY wird ab Montag, dem 15. Juni bis zum 29. August zu besichtigen sein.

Die Ausstellung sollte ursprünglich im Rahmen des Gallery Weekend Berlin 2020 eröffnen. Aufgrund des Lockdowns in Los Angeles konnte sowohl der Künstler als auch seine Werke nicht nach Europa reisen. Die inhaltliche Auseinandersetzung der Ausstellung wurde schon im Jahr 2019 konzipiert.

Für seine Ausstellung ONLY dekonstruiert Wendelin den tatsächlichen und symbolischen Kontext der Galerie, legt deren Methodik durch eine fiktive Architekturinstallation offen und verflicht verschiedene Stränge seines Denkens zu einer Erzählung, die von konzeptuellen gefundenen Objekten bis zur handfesten Körperlichkeit seiner Keramikpraxis reicht. Die Ausstellung ONLY bezieht die Besucher in eine alternative architektonische Realität ein, verfolgt eine organische futuristische Erzählung des Idealismus und lässt den Betrachter mit Hoffnung in der Dystopie zurück.

Ein von Geschichten zusammengehaltenes Ökosystem braucht Menschen, die sie hören und nacherzählen. Wie aber vollzieht sich die Auflösung dieser Geschichten, wenn es kein Publikum für sie gibt? Und wenn keine Zivilisation mehr den Unterschied zwischen Naturstoff und Kulturgegenstand kennt, wie könnte das Eigenleben aussehen, das diese Dinge dann womöglich annähmen oder hinterließen? Wendelin formuliert es so: „Wenn wir weggehen oder verschwinden, wie wird der Staub sich legen? Wenn wir zurückkehren, welche neuen Spuren werden wir vorfinden?“

Diese Fragen setzt er in der Ausstellung in Szene. Die Fenster der Galerie sind mit großformatigen bedruckten Seiten zugehängt, die aus einer vom Künstler herausgegebenen Publikation mit dem Titel THE ALLUSION stammen. Die Autoren, die er dafür einlud, steuerten „Fiktionen über Fiktion“ bei, die die Ideen hinter der Schau auseinandernehmen, aber auch weitertragen.

THE ALLUSION ist in Zusammenarbeit mit mehreren Künstlern, Architekten, Schriftstellern und Journalisten entstanden und beschreibt einen Einstieg in jene Illusion der Verlassenheit. Durch die nebeneinanderstehenden, sich überschneidenden und einander widersprechenden Beiträge sollen Perspektiven einer Auseinandersetzung mit diesen Werkzeugen der zeitgenössischen Fiktion entworfen werden. Die Einbeziehung verschiedener Stimmen wirft die Frage nach der individuellen Handlungsmacht auf und öffnet Wege zur Gestaltung einer gemeinsamen Bewertung von Objekten und Glaubenssystemen.

Die Szene im Inneren der Galerie wirkt, als habe ein unerwartetes Ereignis den Betrieb zum Erliegen gebracht. Die Arbeitsplätze sind verwaist, die Räumlichkeiten weitgehend leer; statt Aktenschränken und Bürogeräten finden sich Nahrungsmittel in Einmachgläsern, die älter sind als das Internet – manche stammen aus der Zeit von Tschernobyl, Artefakte, in die sich die Katastrophe und die Grenzen von Körpern und Ressourcen wie diesen in der Reaktion auf sie eingeschrieben haben. Wendelin zeigt sie hier als Readymades und Bunkerausstattung, wie sie an einem Ort zu finden sein mögen, wo Überlebende ausharren, bis das Räderwerk der Geschichte sich wieder in Bewegung setzt.

Dutzende wässrig-organischer Gestalten sind über die Räume der Galerie verteilt: Keramiken von Wendelin mit den Titeln ONLY ONE, TWO, THREE … und so weiter in numerischer Reihung. Trotz ihrer rohen Konturen und dem Anschein einer Art natürlichen Ausbreitung im Raum handelt es sich um von Hand in Form gepresste und sorgfältig angeordnete Skulpturen. Hier wie vor tausenden Jahren sind sie Früchte ritueller Verfahren, in deren Ausübung man sich etwas von der Zeit, die in ihrer Herstellung verdichtet wurde, aufgespeichert denken mag. Ihr abgründiges Schimmern verdanken sie einer durch chemische Zugaben herbeigeführten Glasurtechnik namens Raku. Dazu werden die Skulpturen dem auf eine Maximaltemperatur von über 1800 Grad erhitzten Brennofen entnommen und in Metallbehälter gelegt, die mit Papier gefüllt sind, das bei der Berührung in Flammen aufgeht. Die entstehenden Kohlenstoffverbindungen entlocken den erstickten Glasuren überirdische Farben. Spuren von verkohlten Papierschnipseln sind um die Skulpturen herum zu erkennen. In unversehrter Form waren es Seiten aus der Publikation auf den Galeriefenstern; weitere Exemplare liegen in der Ausstellung in geometrischen Stapeln zum Mitnehmen aus.

In Regalen aufgestellte scheinbar aufbewahrte individuell gestaltete Artefakte aus den letzten Jahrzehnten zurück bis 1945, aus der Zeit vor dem Internet und Tschernobyl, bieten einen Eindruck oder eine Zeitleiste der Technologie in den frühen Stadien unserer Art bis hin zu den Neuentwicklungen, die zu unserer heutigen Lebensweise führen, wobei die Generationsunterschiede mehr denn je zunehmen, je schneller sie fortschreitet. Der Wandel des Konsums hat die Grundlagen für unsere technologischen Revolutionen gelegt, unser Bewusstsein auf die Stufe des Experimentierens gehoben, die in der frühen Menschheit begann, und unsere Aufmerksamkeit bewusst auf die Entwicklung unserer immer komplexeren sozialen Strukturen ausgerichtet. Diese Objekte erinnern an eine Welt vor der unseren, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Diese Ausführungen stammen von Kevin McGarry, welcher einen Pressetext für THE ALLUSION verfassen hat.

Jonas Wendelin arbeitet derzeit in Los Angeles und Berlin. Sein Werk umfasst Performances, Skulpturen, Installationen, Studien zur traditionellen Keramik sowie die Moderation kultureller Räume; er initiiert, fördert und entwickelt eine gesellschaftliche Vision, die kulturelle Routinen hinterfragt. Wendelin ist Mitbegründer und Leiter von FRAGILE, eines multidisziplinären Nonprofit-Projekts für zeitgenössische künstlerische Praxen in Berlin, das einen Ausstellungs- und ein „Artist in Residence“ für eingeladene Künstler umfasst und Gesprächen, Auseinandersetzungen, Neuverhandlungen und Festivitäten Raum gibt. Außerdem ist er Mitbegründer von NAVEL, einer gemeinschaftlich betriebenen Nonprofit-Organisation in Downtown Los Angeles, die Künstleraufenthalte ermöglicht, eine Lernplattform betreibt und sich als Testgelände für Kollektivität und kreative Praxen versteht. Wendelin war Hito Steyerls Meisterschüler an der Berliner Universität der Künste, Teilnehmer an Olafur Eliassons Institut für Raumexperimente und „Artist in Residence“ in American Museum Of Ceramics Art, AMOCA in Pomona, Kalifornien. Seine Arbeiten waren im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, im KW Institute for Contemporary Art, Berlin, im MoMA PS1, New York, in der Neuen Nationalgalerie, Berlin, und bei The Storefront for Art and Architecture, New York, und NAVEL, Los Angeles, zu sehen.

Für weitere Informationen zum Künstler und den Arbeiten und für Bildanfragen wenden Sie sich bitte an Nils Petersen, nils(at)dittrich-schlechtriem.com.